Korporationen und ihre Historie 

Der nachstehende kurze Geschichtsabriß erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit aller dort dargestellten Begebenheiten, er erfüllt auch nicht den Anspruch fundierter wissenschaftlicher Untersuchung. Er soll eher ein wenig dazu beitragen, unsere Position als Absolven und damit Angehörige einer Verbindung, einer Korporation, besser zu verstehen und zu verinnerlichen.

 

Die alten deutschen Universitäten

Korporationen oder Verbindungen im weitesten Sinn gab es mit großer Wahrscheinlichkeit bereits an den sehr frühen, also im ausklingenden Mittelalter gegründeten deutschsprachigen Universitäten. Zur Vertiefung sei an einige eindrucksvolle Gründungsdaten erinnert. Die wohl älteste damals „deutschsprachige“ Universität in Prag wurde im Jahr 1348 gegründet. Es folgten – beispielhaft aufgeführt – Wien 1365, Heidelberg 1368, Köln 1388, Erfurt 1392 und Leipzig 1409. Die Deutschsprachigkeit ist deshalb relativiert, weil der Lehrbetrieb damals in der Wissenschafts-sprache Latein gehalten wurde. Es soll nur der Blick dafür geschärft werden, dass diese Gründungsära von Universitäten in einer Zeit des Aufbruchs der europäischen Völker in ein nach und nach naturwissenschaftliches Weltbild anzusiedeln ist. Mit der Entdeckung Amerikas Ende des 15. Jahrhunderts verbinden wir erstmals den Beginn der „Neuzeit“. Wer damals als Student eine Universität bezog, war mit Sicherheit nicht zu beneiden. Es handelte sich in den meisten Fällen um Sprößlinge begüterter Familien, die aber wohl als einzige wissenschaftliche Vorbildung die mehr oder minder gute Beherrschung der lateinischen Sprache mitbrachten. Sie verfügten sicher über eine gewisse Summe Geldes, waren im Alltag aber buchstäblich „in der Fremde“, also in einer Umgebung, deren Gesetze, Gepflogenheiten, ggf. sogar deren Sprache ihnen fremd war. Da lag es nahe, sich an Landsleute anzuschließen, also an ältere Studenten, die aus der gleichen Gegend stammten wie der Neuankömmling. Man bildete also eine lose Vereinigung von Landsleuten, die später häufig als „Bursen“ tituliert wurden. Gelegentlich waren „Bursen“ auch Wohn- und Lehrgemeinschaften, wo Lehrende wie Lernende unter einem Dach hausten und arbeiteten. Aus solchen Einrichtungen leitet sich unser heutiger Begriff des Burschen ab. Das Leben in einer solchen Gemeinschaft dürfte für den Neuankömmling aber nicht immer angenehm gewesen sein. Die älteren Angehörigen solcher Zusammenschlüsse nutzten im Allgemeinen die Neuankömmlinge schamlos zum eigenen – auch finanziellen - Nutzen aus. Den Neuen wurde zunächst die zweifelhafte Ehre zuteil, ihre älteren Kommilitonen umfas-send zu bedienen und ihnen Geld zu „leihen“. Wer unter diesen Umständen nicht zugrunde ging, konnte darauf hoffen, in späteren Semestern mit den erwarteten neu ankommenden Landsleuten genauso zu verfahren. Dennoch war ein damaliger Student bei seinen Landsleuten, mögen sie auch noch so gaunerhaft mit ihnen umgegangen sein, besser aufgehoben als bei den Ureinwohnern der jeweiligen Universitätsstadt. Diese hatten gegen die fremden Studenten, berechtigt oder unberechtigt, massive Aversionen. Manche hatten sie wohl im Bedenken vor finanziellem Schaden durch nicht bezahlte Mietschulden und herunter-gekommene Studentenbuden, wenn der Herr Studiosus ausgezogen war. Andere fürchteten zusätzlich die verloren gegangene Unschuld ihres, also des Wirtes Töchterlein, das in so manchem unserer Kneiplieder besungen wird.

 

Der aufgeklärte Absolutismus

In der Mitte des 18. Jahrhunderts wurde Europa von Monarchen regiert, die zwar absolut, also so, wie wir dies heute in einer Diktatur annehmen, regierten, die sich aber erstmals in der europäischen Geschichte der Verantwortung für die von ihnen regierte Bevölkerung wenigstens annähernd bewusst wurden. Aus diesem Selbstverständnis heraus gründeten sie weitere Universitäten in ihren Ländern, teils, um sich unter eigenen Vorstellungen Eliten heranzuziehen, teils aber durch das schiere Konkurrenz-denken gegenüber anderen deutschen Klein-staaten motiviert. Eine solche Universitätsgründung stellt mit Sicherheit die der Friedrich – Alexander – Universität in Erlangen im Jahr 1743 dar. Die Zeit der absolutistischen Aufklärung war aber auch der Nährboden für viele vordem unbekannte Organisationen. Es entwickelten sich die Freimaurer zu einer bis dato unerreichten Blüte, gegründet wurden – meist unter strikter Geheimhaltung – Orden, Bünde, Bruder-schaften, die sich gedanklich mit dem Aufbruch in eine neue Zeitära beschäftigten. Gerade wegen ihrer Geheimniskrämerei waren diese Organisationen nicht gut angesehen und wurden häufig verboten, wenn die Staatsmacht ihrer führenden Köpfe habhaft wurde. In dieser Zeit entwickelte sich der Begriff der „Ehre“ die es zu verteidigen galt, auf eigenartige Weise. Als ehrbar galt, wer seine „Ehre“ mit der blanken Waffe, also mit einem scharfen Hieb- oder Stichinstrument, zu verteidigen in der Lage war. Diese Menschen bezeichneten sich als „satisfaktionsfähig“. Diese aus heutiger Sicht sehr zweifelhafte Eigenschaft stand ursprünglich nur dem Adel und den Offizieren zu. Studenten, die damals wohl teils adelig waren, zu einem großen Teil sicher aber dem damals aufstrebenden Bürgertum entstammten, waren primär nicht satisfaktionsfähig. Sie waren daher sehr darum bemüht, sich diese Eigenschaft zu erwerben. Das konnten sie nur durch Angehörigkeit zu einem studentischen Zirkel, einer Bruder- oder Landsmannschaft erreichen. Nur dort hatten sie Zugang zu den Satisfaktionswaffen und wurden im Umgang damit unterrichtet. Fühlte man sich satisfaktionsfähig, dann galt es, diese Fähigkeit auch unter Beweis zu stellen, und dafür war häufig kein Anlass zu gering. Es genügte schon, seinem Gegenüber bei irgendeinem gemeinsamen Trinkgelage vorzuhalten: „Mein Herr, Sie haben mich fixiert!“ (also scharf angesehen). Man traf sich dann unter Assistenz von Sekundanten, einem Unparteiischen und einem Wundarzt früh morgens außerhalb der Universitätsstadt an einem lauschigen Ort und ging mit scharfer Klinge aufeinander los. Ziel war dabei in der Regel nicht, seinen Kontrahenten vom Leben zum Tode zu befördern, was dennoch gelegentlich der Fall war. Gewöhnlich war das Gefecht mit dem ersten „Anschiss“ beendet, also dann, wenn einer der beiden Kontrahenten eine blutende Wunde aufwies. Dann war die „Ehre“ wieder hergestellt und man konnte gemütlich wieder miteinander zechen – bis zur nächsten „Ehrverletzung“.

 

Revolution und napoleonische Kriege

Im ausgehenden 18. und dem angehenden 19. Jahrhundert war die Situation in Deutschland – das heißt in den damaligen deutschsprachigen Teilstaaten – und damit auch an den damals existierenden Universitäten immer noch völlig anders, als wir dies heute kennen und gewohnt sind. Es bestanden zwar schon mehr Universitäten als zu Beginn der Neuzeit. Von einer flächendeckenden Versorgung mit Hochschulen, wie wir dies heute als selbstverständlich erachten, waren die Kleinstaaten der damaligen Zeit noch weit entfernt. Zur Erinnerung: das damalige Europa stand ganz im Zeichen der französischen Revolution, an-schließend litt es unter dem napoleonischen Machtanspruch. Die seit Jahrhunderten in Europa bestehenden Strukturen wurden schlicht weg-gefegt. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation hatte aufgehört, zu existieren. Die Kirche wurde entmachtet, es breitete sich ziemliches Chaos aus. Wo der Krieg durchgezogen war, marodierten plündernd versprengte Soldaten. Da war es für einen Studenten schon wichtig, ein halbwegs sicheres Umfeld zu haben. In dieser Zeitphase finden sich die Gründungen der ältesten heute noch existierende Studentenverbindungen. Diese Korporationen waren stark landsmannschaftlich geprägt. Man rekrutierte sich aus eigenen Landsleuten oder aus Studenten, die aus den gleichen Städten kamen. Dies wird aus den Namen dieser Bünde deutlich. Es tauchen Namen auf wie „Onoldia“ für Ansbach oder „Baruthia“ für Bayreuth. Andere Korporationen fühlten sich eher den Herkunftsländern ihrer Mitglieder verpflichtet und nannten sich z. B. „Frankonia“, „Bavaria“, „Hassia“ oder „Saxonia“. Viele dieser Vereinigun-gen konstituierten sich gleich oder später als Corps. Corps zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich der parteipolitischen Neutralität verpflichtet fühlen.

 

Reaktionäre Biedermeierzeit und Burschenschaften

Nach Napoleon erstarrte Europa in den rigiden Regeln der reaktionären Biedermeierzeit. Der österreichische Kanzler Fürst Metternich – bekannt auch heute noch als Namensgeber einer Sektmarke – drückte im Jahr 1819 in vielen deutschsprachigen Ländern sehr rigide Verbote von Versammlungsfreiheit und freier Meinungsäußerung durch. Diese Beschränkungen sind als „Karlsbader Beschlüsse“ in die Geschichte eingegangen und bestanden bis 1848 fort. Es herrschte in den meisten deutschen Regionen eine strikte Zensur teils sogar privater Korrespondenzen. Viele Korporationen, die oft gerade erst gestiftet waren, wurden alsbald behördlich verboten, verschwanden wieder im Dunkel der Geschichte oder existierten illegal weiter. In dieser Unterdrückungssituation eingeengt, rebellierten sehr viele demokratisch oder auch als Folge der französischen Revolution revolutionär eingestellte Studenten zunächst in kleinen Zirkeln, später in großen Protestveranstaltungen wie dem „Hambacher Fest“ oder dem „Wartburgfest“ gegen die bestehende Ordnung. Es gründete sich die „Urburschenschaft“ 1815 in Jena. Burschenschafter waren zunächst von der Idee getrieben, alle bis dahin existierenden Korporationen zu einer für alle Studenten einer Universität gleichen Burschen-schaft zusammenzuschließen, was sich aber nach sehr kurzer Zeit als nicht durchsetzbar erwies. Damit etablierten sich die Burschenschaften als eine weitere Spielart des Korporationswesens die Burschenschaften setzten sich ein politisches Ziel, nämlich das der Schaffung eines deutschen Nationalstaates. Das war in den Augen der gesamten deutschen Duodezfürsten ein sehr gefährliches Unterfangen, weshalb Burschenschaften meist illegal blieben und ihre Mitglieder sich einer sehr intensiven Verfolgung durch die Behörden sicher sein konnten. Friedrich Ludwig Jahn, der „Turnvater“, war ein solchermaßen verfolgter Student, seine Biographie legt deutlich Zeugnis ab von seinem Leben als Burschenschafter im damaligen Untergrund. Die ersten Burschenschafter waren damit keineswegs rechtsradikal oder antisemitisch, sie fühlten sich als Patrioten und wollten für ein einiges Deutschland kämpfen. Sie wählten die Farben Schwarz, Rot und Gold als deutsche Nationalflagge und häufig auch als Farben ihres Burschenbandes. Mit den Burschen-schaften kamen auch neue Namen der Verbindungen, man nannte sich sehr gerne „Germania“, „Teutonia“ oder „Alemannia“ als deutliche Abgrenzung zu den Regionalnamen der Lands-mannschaften bzw. Corps. Gemeinsam war den damaligen Korporationen der schon oben erwähn-te Ehrbegriff. Man war satisfaktionsfähig und dar-auf bedacht, dieses auch immer wieder unter Be-weis zu stellen. Auch im äußeren Habitus unterschied man sich nicht wesentlich. Damals entstand der Typus der Studentenkleidung, die wir heute noch als „Wichs“ mit all ihren Accessoires wie Reithosen, Stiefel, Schärpe, Mütze oder Cerevis und Waffengehänge kennen. Vorbild dafür waren wohl die bunten Uniformen der Soldaten der napoleonischen Kriege.

 

Von der Paulskirche zur Reichsgründung

Die gescheitere Revolution vom März 1848 und die darauf folgende Nationalversammlung in der Paulskirche brachten zwar noch nicht die deutsche Einheit, bewirkte aber ein Umdenken in allen Gesellschaftsschichten in Richtung eines gesamt-deutschen Nationalstaates. Diese Entwicklung lief parallel zu der Ausprägung weiterer National-staaten in Europa. Griechenland hatte sich 1832 vom osmanischen Reich gelöst, Serbien hatte dies noch nicht ganz geschafft, die Niederlande teilten sich 1834 in die heutigen Niederlande und Belgien auf, die Schweiz errichtete 1848 ihren Staatenbund und Italien setzte zum Befreiungskrieg an. Im deutschsprachigen Teil Europas begann das Tauziehen darüber, ob es eine großdeutsche Lösung, also unter Einschluss Österreichs und damit unter dessen extreme Gesinnung, es entsprach schlicht dem Zeitgeist so, wie wir heute die freiheitlich – demokratische Grundordnung hochhalten.

 

Ära Bismarck und das deutsche Kaiserreich.

Bekanntermaßen hatte sich das deutsche Kaiser-reich nach dem Sieg über Frankreich im Jahr 1871 konstituiert, der preußische König Wilhelm sich in Versailles als Kaiser proklamieren lassen. Die folgende wilhelminische Zeit war geprägt von einem beispiellosen Nationalstolz der Deutschen. Nahezu sämtliche Institutionen des Kaiserreichs gaben sich deutsch und patriotisch. Fahnen zu setzen oder zu schwenken gehörte zum Alltag. „Man war endlich Wer“. Diese Begeisterung prägte auch nahezu durch-gehend das Verbindungswesen. Bismarck war, wie die meisten Hohenzollern und genauso wie weite Kreise des Bildungsbürgertums und des Adels, Corpsstudent. Man gab sich kaisertreu und schneidig. Die Karikaturen im Simplicissimus oder später das gesellschaftliche Stimmungsbild, das Heinrich Mann uns heute noch in „Der Untertan“ lesen lässt, legen lebhaft Zeugnis ab von der Stellung der Korporationen in der kaisertreuen Gesellschaft.

 

Comment

Der Bereich der an Jahreszahlen festzumachenden Geschichte sei hier verlassen. Wie wir wissen, wird das Leben innerhalb einer Verbindung, so auch das unserer Absolvia, vom Comment bestimmt. Wir haben für den Aktivenbetrieb nicht eine Satzung oder dergleichen, wir wenden einen Comment an, aufgeteilt in einen allgemeinen und einen Biercomment. Der Begriff des Comments stammt, wie unschwer zu erkennen, aus der französischen Sprache und bedeutet „wie“. Comments gab es noch vor der Existenz organisierter Korporationen als allgemeines Regelwerk von Studenten für Studenten an einer Universität. Er galt und wurde angewandt unter allen Studenten dieser Universität. Er regelte insbesondere den Verhaltenskodex der Studenten untereinander und gegenüber der Außenwelt. Dort geregelt war auch der Austragungsmodus für die, wie oben beschriebenen, recht häufigen Ehrenhändel unter den Satisfaktionsfähigen. Eine Parodie des allgemeinen Comments findet sich im Biercomment. Die allgemeinen Alltags-regeln wurden für das Verhalten am Kneiptisch übernommen oder auch parodiert. Eine klassische Parodie dieser Art ist der auch heute noch geübte Brauch des Bierjungen. Für einen ordentlich ausgetragenen Bierjungen bedarf es der Paukanten, der Sekundanten, manchmal werden Schleppfüchse aufgestellt, ein Paukarzt und ein Unparteiischer sind ebenso erforderlich wie eine gehörige Anzahl von Spektanten. Die Kommandos parodieren die Gepflogenheiten bei einer scharfen Mensur trefflich. Satzungen oder dergleichen finden sich erst in den nach der Reichsgründung vermehrt sich konstituierenden Altherrenvereinen der Korporationen, deren Aufgabe es war und auch heute noch ist, den Betrieb der aktiven Verbindung wirtschaftlich zu ermöglichen. Das Primat der Aktiven, besonders die herausragende Stellung der Chargierten, sollte von den Philistern und ihrer Organisation nicht tangiert werden. So sollte es übrigens heute noch sein.

 

Ausblick

In der wilhelminischen Ära sind die Korporationen in der Gesellschaft angekommen. Die Farbenträger waren, ordentliche berufliche Perspektiven vorausgesetzt, höchst angesehene und gefragte Leistungsträger im Staat, in der Wirtschaft und im öffentlichen wie privaten Umfeld. Der Preis hierfür war der Verlust des Außenseiterstatus der Verbindungsstudenten. Mindestens bis zur Nationalversammlung im März 1848 wurden korporierte Studenten flächend-eckend so beurteilt. Bewusst sei hier von Studenten die Rede, nicht von Alten Herren oder Philistern. War die Studentenzeit zu Ende, streifte der Examinierte seinen farbentragenden Habitus häufig ab wie ein altes Hemd: Er zog mit gesenktem Blick in das Philisterland zurück... Und so, wie es den Philistern der Vormärzzeit erging, erging es letztlich den Korporationen unter der schwarz-weiß-roten Fahne mit dem Reichs-adler darauf. Man war integriert, eine Stütze der Gesellschaft und angesehen. Nützliche Missstände wie Protektion oder das Ausspielen von Beziehungen zum Nutzen der eigenen Karriere kamen in Mode. Schluß war es mit dem Image der jungen Wilden, der Romantiker, der Stürmer und Dränger, der Kämpfer für individuelle Freiheit und Gerechtigkeit, der Veränderer eines ganzen Kontinents und seiner verkrusteten Machtstrukturen. Es ist noch gar nicht so lange her, da ging es den Hippies, der außerparlamentarischen Opposition(APO) und den 68er Revoluzzern recht ähnlich. Auch die sind inzwischen in der Mitte der Gesellschaft angekommen und haben es sich dort gemütlich eingerichtet Spätestens mit dem Zusammenbruch des Kaiserreichs nach dem ersten Weltkrieg wäre das Verschwinden der Korporationen zu erwarten gewesen. Der farbentragende Student hatte in Gestalt des schnöseligen, arroganten, monokeltragenden und mit einem silberbeschlagenen Stöckchen bewaffneten Korporierten seine höchste Entwicklungsstufe überschritten und unfreiwillig parodiert. Das Korporationswesen wilhelminischer Ausprägung war mit dem Kaiserreich untergegangen. Eine erstaunlich große Zahl an jungen Männern, die aus dem Krieg zurückkamen und vor oder während diesem aktiv geworden waren, fanden sich wieder zusammen. Sie schufen verbandsübergreifend die Idee des farbentragenden vor-bildlichen Studenten, der sich durch sein Verhalten und sein eifriges Studium an der Universität, verbunden mit dem Einsatz für studentische Belange, profilieren sollte und nicht durch seinen Habitus, den ehedem sowieso der Alte Herr oder die dadurch häufig verschuldete Familie bestritten. In dieser Zeit entstand wohl auch der Gedanke der lebenslangen Freundschaft, den unsere liebe Absolvia schon in ihrem Wahlspruch „Nectit amor amicus“ ein halbes Jahrhundert zuvor antizipiert hatte. Freunde für das ganze Leben zu finden und zu behalten ist die Spange, die die Korporationen bis auf den heutigen Tag zusammenhält und weiter zusammen halten wird. Der weitere Gang der Ereignisse, besonders der die Geschicke unserer lieben Absolvia betreffenden, ist in unseren Annalen und den Veröffentlichungen zur Absolvengeschichte enthalten. Möge der Rückblick in die Jahrhunderte davor das Verständnis für unseren Bund vertiefen helfen.

 

Vivat, crescat, floreat Absolvia !

Im November 2010 

Dr. Peter Kirchmayer A! vTr. 65/66